Diagnose der akuten Gicht

Es gibt wenige Krankheiten, bei denen eine Diagnose so einfach ist wie bei vielen akuten Gichtanfällen. Erscheint ein Patient mit den klassischen Symptomen schmerzhaft geschwollenes, überwärmtes und gerötetes Großzehen-Grundgelenk bei seinem Arzt, reicht bereits in Blick auf den Fuß zum Erkennen der Podagra: Harnsäurekristalle im Gelenk haben weiße Blutkörperchen angelockt und eine Entzündung ausgelöst, die Schmerzen verursacht und die Temperatur lokal erhöht.

In der Regel fragt der Arzt, ob man es sich am Tag zuvor hat gut gehen lassen. Denn zu den klassischen Symptomen der Gicht passt sehr oft der klassische Auslöser viel rotes Fleisch, viel Alkohol.

Ein schönes saftiges Steak und ein paar Gläser Bier treiben den Harnsäurespiegel bei prädisponierten Patienten in die Höhe. In der darauffolgenden Nacht ruft schon die Bettdecke auf dem Zeh erhebliche Schmerzen hervor und an Schlafen ist nicht mehr zu denken.

Seltener, aber ebenso typisch ist die Chiagra, bei der die gleiche Rötung, Schwellung und Schmerzhaftigkeit in Fingergelenken auftritt, oder die noch seltenere Gonagra des Kniegelenks.

Klinisch macht ein solcher klassischer Anfall überhaupt erst darauf aufmerksam, dass ein Problem mit den Harnsäurewerten besteht. Harnsäure scheiden die Nieren relativ schnell mit dem Urin aus, sodass sich eine vorübergehende Erhöhung des Serumwertes nur selten diagnostizieren lässt. Nur bei chronischer Gicht mit ständig erhöhten Werten besteht die Chance, diesen im Blutbild zu erkennen.

Differenzialdiagnose der chronischen Gicht und rheumatoiden Arthritis

So einfach eine Diagnose bei einem akuten Gichtanfall in Form einer Podagra ist, so schwierig gestaltet sich oftmals die korrekte Erkennung einer chronischen Gicht. Überwärmte, schmerzende und gerötete Gelenke treten vor allem auch bei der rheumatoiden Arthritis auf. Das erschwert in den meisten Fällen die Differenzialdiagnose, wenn nicht zugleich die Harnsäurewerte auffallen. Allerdings sind die Schmerzen bei der Gicht wesentlich stärker ausgeprägt. Schon die geringste Berührung hat intensive Schmerzsensationen zur Folge. Bei der rheumatoiden Arthritis schmerzt erst die Bewegung der Gelenke.

Rheumatoide Arthritis ist die Spätfolge einer Infektion der Luftwege mit Streptokokken, die Rachen und Mandeln besiedeln und das Immunsystem aktivieren. Ihre Oberflächenstrukturen ähneln körpereigenen Strukturen, sodass dagegen gebildete Antikörper nicht nur mit den Erregern, sondern auch mit Geweben reagieren. Das führt zu einer Autoimmunreaktion mit Entzündungen, dem rheumatischen Fieber. Die angegriffenen Gewebe liegen im Herzen, Gehirn und in den Gelenken. Daher kommt es zu Entzündungen der Herzinnenhaut (Endokarditis), Enzephalitis des Gehirns oder in den Gelenken zur rheumatoiden Arthritis.

Bei einer rheumatoiden Arthritis sind im Blut die Entzündungswerte wie das C-reaktive Protein (CRP), Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und Leukozyten (LEUK, WBC) wie bei einem Gichtanfall erhöht, nicht jedoch die Harnsäure.

Zentraler Blutwert bei der Diagnose der Gicht: Harnsäure

Harnsäure ist das Abbauprodukt des Purinstoffwechsels, über den Reste der Erbsubstanz DNA in ausscheidungsfähige Form gebracht werden. Hauptverantwortlich für den Abbau ist die Xanthinoxidase der Leber, gegen die sich das Standardmedikament gegen chronische Gicht, das Urikostatikum Allopurinol richtet. Das Allopurinol sieht ähnlich aus wie das Xanthin und Hypoxanthin, das die Xanthinoxidase abbaut. Es lagert sich an das Enzym an und verhindert so die Harnsäurebildung.

Der Harnsäurespiegel im Blut ist ständigen Schwankungen unterworfen und ändert sich mit dem Alter. In der Regel gibt man den Referenzbereich für die Harnsäure im Serum (Harnsäure i.S.) bei Frauen zwischen 2,0 und 5,7, bei Männern zwischen 2,0 und 7,0 Milligramm pro Deziliter an.

Auch zu niedrige Harnsäurewerte sind möglich, etwa bei einigen Lebererkrankungen oder Störungen des Purinstoffwechsels. Bei Gicht sind sie hingegen deutlich erhöht.

Eine solche Erhöhung des Blutwertes für Harnsäure bezeichnet man medizinisch als Hyperurikämie. Sie tritt sie in Form einer primären (angeborenen) Hyperurikämie (primäre Gicht) bei vererblichen Störungen des Purinstoffwechsels auf (Lesch-Nyhan-Syndrom) auf. Bei einer sekundären, das heißt erworbene Hyperurikämie werden vermehrt Purine abgebaut (bei Leukämien) oder zu wenig Harnsäure ausgeschieden (bei Alkoholmißbrauch, Diabetes) und führen zu einer sekundären Gicht.

Besteht eine Gicht längere Zeit, ist sie auch durch das Auftreten der typischen Gichttophi durch auskristallisierende Harnsäure an den Gelenken oder Ohrmuscheln erkennbar.

Sichere Diagnose der Gicht

Finden sich keine aussagekräftigen erhöhten Harnsäurewerte im Blut, muss der Arzt bisweilen das betroffene Gelenk mit einer feinen Nadel punktieren. Wenn sich in der entnommenen Gelenkflüssigkeit unter dem Mikroskop die typischen Kristalle der Harnsäure nachweisen lassen, ist die Diagnose eindeutig. Dieses Verfahren ist jedoch relativ aufwendig und mit einem Infektionsrisiko verbunden, sodass man es nur zur Bestätigung einer Verdachtsdiagnose einsetzt.

Der Colchicintest

Ohne Punktion kommt der Colchicintest aus. Colchicin ist ein Alkaloid aus der Herbstzeitlosen (Colchicum autumnale), das an spezielle Filamente des Zytoskeletts, die Mikrotubuli angreift und diese außer Funktion setzt. Diese sind wichtig für Bewegungsvorgänge auf zellulärer Ebene. So hemmt Colchicin bei der Zellteilung (Mitose) die Trennung der Chromosomenhälften durch den Spindelapparat, bei Fresszellen die Aufnahme von Substanzen durch Phagozytose und die Beweglichkeit der Zellen.

Bei der Gicht verhindert Colchicin, dass die Harnsäurekristalle in den Gelenken Fresszellen (neutrophile Granulozyten) anlocken. Diese nehmen normalerweise die Kristalle auf und setzen die Entzündungsreaktion durch die Freisetzung von Botenstoffen in Gang. Zudem bilden sie Laktat, Salze der Milchsäure, die die Gelenkflüssigkeit ansäuern und dadurch das Auskristallisieren von noch mehr Harnsäure begünstigen. Colchicin unterbindet somit sowohl die Ansäuerung als auch den Entzündungsprozess.

Beide Vorgänge sind typisch für die Gicht. Daher gilt es als sicherer Hinweise auf diese Erkrankung, wenn sich durch die orale Gabe von Colchicin die Schmerzen und Entzündungszeichen bessern. Bei einer rheumatoiden Arthritis oder anderen Gelenkerkrankungen ist das nicht der Fall.

Warum ist eine frühzeitige Diagnose von Gicht notwendig?

Eine frühzeitige Diagnose auch nur vorübergehend hoher Harnsäurewerte ist wichtig. Sind bei einer subakuten, chronischen Gicht die Gelenke durch auskristallisierende Harnsäure und die damit einhergehenden Entzündungen geschädigt, ist eine Regeneration nur noch begrenzt möglich. Eine unbehandelte chronische Gicht führt – wie auch eine rheumatoide Arthritis – zu deformierten Gelenken, die zusehends ihre Beweglichkeit verlieren und schmerzen.

Quellen, Links und weiterführende Literatur

  1. Deutsche Gicht-Liga e.V.: Wie wird die Diagnose Gicht gestellt? Link.
  2. Techniker-Krankenkasse: Was versteht man unter Gicht? Link.
  3. W. Frey, F.-D. Goebel, W. Gröbner, M. Schattenkirchner, N. Zöllner:
    Diagnose und Differentialdiagnose der Gicht (Hyperurikämie und Gicht Band 2).
    Stuttgart 1980: Springer-Verlag. ISBN-10: 3662242702.