Am besten bekannt ist die Gicht durch die schmerzhafte Rötung und Schwellung des Großzehengrundgelenkes, die sogenannte Podagra. Ausgelöst wird diese durch das Auskristallisieren der im Blut zirkulierenden überschüssigen Harnsäure in Form von Natriumurat im Gelenk und die darauf folgende Entzündung. Aber die Gicht kann an noch viel mehr Stellen auftreten und für Probleme sorgen – nicht nur in den Gelenken.
Akute Gicht und chronische Gicht
Will man wissen, wo sich die Gicht überall manifestieren kann, muss man zwischen akuten Gichtanfällen (regulärer Gicht oder Gelenkgicht) und der chronischen (irregulären) Gicht unterscheiden. Erstere betrifft die Gelenke, wohingegen sich die chronische Form an vielen Stellen des Körpers bemerkbar macht.
Wo tritt ein akuter Gichtanfall auf?
Ein akuter Gichtanfall beginnt vorzugsweise in der Nacht oder am frühen Morgen. Klassischer Auslöser: Man hat es sich gut gehen lassen. Ein paar Gläschen über den Durst und ein schönes saftiges Steak lassen die Harnsäurewerte in die Höhe schießen. Das ist der Grund, warum der Arzt fragt, wie man den Abend zuvor verbracht hat, wenn man mit einem akuten Gichtanfall in seiner Praxis erscheint.
Meistens ist immer nur ein Gelenk auf einmal betroffen, wobei sich die Gicht in mehreren Gelenken nacheinander äußern kann. Hinzu kommen Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen.
Podagra
In rund 60 % der Fälle betrifft ein solcher Anfall das Großzehengrundgelenk – der Klassiker. Aber auch die übrigen Zehengelenke können in Mitleidenschaft gezogen werden (2 %), ebenso wie das Sprunggelenk (14 %).
Gonagra
ist ein Gichtanfall im Kniegelenk. Mit etwa 6 % ist das eher selten.
Chiragra
bezeichnet den Gichtanfall in den Fingergelenken oder Handgelenken. Hier ist es analog zum Fuß das Daumengrundgelenk, das am häufigsten schmerzt.
Andere Gelenke
Noch seltener sind andere Gelenke betroffen, wie das Schulter- und das Sternoklavikulargelenk zwischen Brustbein und Schlüsselbein. Extrem selten sind Gichtanfälle in Hüftgelenk und den Gelenken der Wirbelsäule.
Wo äußert sich eine chronische Gicht?
Je weiter sich eine Gicht entwickelt, an desto mehr Stellen kristallisiert die Harnsäure aus. Das passiert nicht nur mehr in den Gelenken, sondern auch an ganz anderen Körperstellen. In den Gelenken führt der chronische Verlauf zu Deformierungen und Gichtknoten, sogenannten Gichttophi.
Am markantesten sind Gichttophi an den Augenlidern, Nasenflügeln und am Knorpel der Ohrmuschel. Sie treten auch an der Spitze des Ellbogens, dem sogenannten Olecranon auf und werden dort schnell riesig.
Anfangs führen solche Gichttophi weder zu wesentlichen Beeinträchtigungen noch verursachen sie Schmerzen. Das ändert sich ganz schnell, sobald man die Knoten mechanisch beschädigt, etwa indem man sich den Knoten am Ellbogen aufstößt. Dann gelangen die Harnsäurekristalle in die Umgebung und sorgen für eine Entzündung, die nicht weniger schmerzhaft ist als die Podagra. Zudem bilden sich schnell Fisteln und Geschwüre.
Komplikationen der chronischen Gicht
Gichtniere (Uratnephropathie)
Die Gicht äußert sich nicht allein in den Gelenken und in Form von Tophi, sie kann besonders die Nieren stark schädigen. Das Natriumurat lagert sich im Nierenmark ab und verursacht dort eine Arterienverkalkung (Arteriosklerose). Diese führt zu einer Beeinträchtigung der Nierenfunktion bis hin zu chronischem Nierenversagen. Hinzu kommen äußerst schmerzhafte Nierenbeckenentzündungen (Pyelonephritis).
Beeinträchtigungen der Niere sind nicht selten. Erhöhte Harnsäurewerte äußern sich vor allem bei jungen Patienten eher in den Nieren als in den Gelenken. Eine akute Uratnephropathie führt zu akutem Nierenversagen und ist damit tödlich.
Nierensteine (Nephrolithiasis)
Harnsäure ist längst nicht so gut wasserlöslich wie Harnstoff, der sich zu mehr als einem Kilo pro Liter Wasser lösen lässt. Bei Körpertemperatur liegt ihre Löslichkeit bei gerade mal einem Zehntel Gramm. Vor allem bei niedrigem pH-Wert des Urins fällt das Natriumurat aus und bildet Nierensteine. Das ist bei zehn bis zwanzig Prozent der Gichtpatienten der Fall.
Gicht im Herz-Kreislauf-System
Nicht zuletzt durch die Beeinträchtigung der Nierenfunktion verursacht die Gicht bei rund der Hälfte der Patienten erhöhten Blutdruck. Das begünstigt Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Arteriosklerose und koronare Herzkrankheit bis hin zu Herzinfarkt und Schlaganfall. Mittlerweile weiß man, dass erhöhte Harnsäurewerte im Blut ebenso riskant sind wie erhöhte Cholesterin- oder Fettsäurewerte (Rotterdam-Studie). In seltenen Fällen schlagen sich Uratkristalle ähnlich wie bei der Niere im Herzmuskel nieder (Gichtherz).
Gichtbedingte Veränderungen der Regenbogenhaut (Iridopathia urica)
Die Gicht kann im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge gehen. Dann kommt es zu einer schmerzhaften Rötung des Augapfels (Episkleritis) und einer gereizten und entzündeten, verstärkt durchbluteten Iris (Iridozyklitis), in der sich Harnsäurekristalle bilden. Zudem ist meistens die Bindehaut entzündet (Konjunktivitis).
Links, Quellen und weiterführende Literatur
- Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGR):
Langfassung zur S2e-Leitlinie Gichtarthritis. PDF.
- Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF):
- Willibald Pschyrembel:
Klinisches Wörterbuch. 267. Auflage.
Berlin 2018: Walter de Gruyter-Verlag. ISBN-10: 3110494973.
- Eva Marbach:
Gesundheitsratgeber Gicht: Gicht mit Naturheilkunde und Schulmedizin erfolgreich behandeln.
Breisach 2010: Eva Marbach-Verlag. ISBN-10: 393876418X.
- Hainer BL, Matheson E, Wilkes RT:
Diagnosis, treatment, and prevention of gout.
Am Fam Physician. 2014 Dec 15;90(12):831-6. Review.
- Liu SC, Xia L, Zhang J, Lu XH, Hu DK, Zhang HT, Li HJ.
Gout and Risk of Myocardial Infarction: A Systematic Review and Meta-Analysis of Cohort Studies.
PLoS One. 2015 Jul 31;10(7):e0134088. Review.